Eurodistrikt Maas-Rhein als Zukunftsvision
FDP fordert grenzüberschreitenden Zweckverband
Dr. Werner Pfeil, Kreistagsmitglied des Kreises Aachen


Was ist ein Eurodistrikt? Als Bundeskanzler Schröder und der französische Staatspräsident Chirac zum 40. Jahrestag der Unterzeichung des deutsch-französischen Elysée-Vertrages mit der Eurodistrikt-Idee aufwarteten, überließen sie die konkrete Ausgestaltung bewusst den Akteuren vor Ort. Klar war nur, dass diese Bezeichnung für eine modellhafte, grenzüberschreitende Zusammenarbeit stehen soll. Unsere Region braucht eine solche Zukunftsvision!


Gliederung:
A. bisherige Aktivitäten auf EU-, Bundes- und Landesebene
B. Einzelaktivitäten auf Landesebene in Süddeutschland auf der Grundlage des Karlsruher Übereinkommens
C. Forderung der FDP von Stadt und Kreis Aachen
D Defizite in Nordrhein-Westfalen
E Aufgaben einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und Ziele
F Der Eurodistrikt – juristische und administrative Fragen


A. bisherige Aktivitäten auf EU-, Bundes- und Landesebene

I Madrider Übereinkommen vom 21.5.1980
Das Madrider Übereinkommen der Europäischen Union ist ein Rahmenübereinkommen, das die Zielsetzung verfolgt, die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zwischen Gebietskörperschaften oder Behörden zu konkretisieren.

II Das Karlsruher Übereinkommen vom 23.1.1996
Mit dem Karlsruher Übereinkommen haben die Bundesrepublik Deutschland, die französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg und die Schweiz die Möglichkeit geschaffen (auf der Grundlage des Madrider Übereinkommens) grenzüberschreitende Zweckverbände zu bilden. Art 11 und 12 des Übereinkommens regelt die Schaffung grenzüberschreitender Zweckverbände.
Dieses Abkommen gilt jedoch für das Gebiet der BRD nur für folgende Gemeinden und Landkreise: im Land Baden-Württemberg, im Land Rheinland-Pfalz sowie Saarland (Artikel 2 des Übereinkommens).

III Völkerrechtliche Verträge/ Übereinkommen
Für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, das das Land Nordrhein-Westfalen umfasst, gilt das Karlsruher Übereinkommen nicht. Hier müssen jeweils völkerrechtliche Verträge geschlossen werden, so z.B. Gemeinsame Erklärung über die nachbarschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem Land NRW und der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens vom 4.3.2004,

IV. Antrag zur Schaffung eines Eurodistrikts im Bundestag
Das Mitglied des Bundestages der FDP Frau Sibylle Laurischk hat den entsprechenden Antrag (Drucksache 15/1111) bereits im Jahr 2003 in den Bundestag eingebracht.


B. Einzelaktivitäten auf Landesebene in Süddeutschland auf der Grundlage des Karlsruher Übereinkommens

IV. Regierungskommission für den Oberrhein (23.10.2001)
Auf der Grundlage des Karlsruher Übereinkommens haben die BRD; die Schweiz sowie Frankreich eine Regierungskommission für den Oberrhein eingesetzt.


V. Schaffung der Regio PAMINA
Der Zweckverband PAMINA wurde jüngst auf der Grundlage des Karlsruher Übereinkommens als grenzüberschreitender örtlicher Zweckverband gegründet. Der er PAMINA-Raum umfasst ein Gebiet von etwa 6.000 qkm, in dem nahezu eineinhalb Millionen Menschen leben. Neben städtischen Zentren wie Karlsruhe, Bruchsal, Bretten, Ettlingen, Rastatt und Bühl auf der badischen Seite sowie Haguenau, Saverne und Wissembourg im Elsass gehört ihm noch Landau, Germersheim, Kandel und Wörth in der Südpfalzan..
Was sind die Ziele des grenzüberschreitenden Zweckverbandes REGIO PAMINA?
In seiner Satzung (Artikel 6) hat sich der Zweckverband REGIO PAMINA das Ziel gesetzt, die örtliche und regionale grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Bereich jener Themenfelder zu fördern, zu unterstützen, zu koordinieren und für die Umsetzung Sorge zu tragen sowie gegebenenfalls gemeinsame Projekte durchzuführen oder die Trägerschaft für solche Projekte zu übernehmen, die in den Zuständigkeitsbereich seiner Mitglieder fallen
Welche Aufgaben nimmt der Zweckverband REGIO PAMINA wahr?
Gemeinsame Raumentwicklung:
Ausarbeitung gemeinsamer Konzepte und Projekte, Koordination und Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Alltag.
INFOBEST:
Informationsvermittlung und Beratung öffentlicher Stellen sowie von Privatpersonen bezüglich grenzüberschreitender Fragen.
INTERREG IIIA-PAMINA:
Verwaltungsbehörde (Programmbegleitung) und Zahlstelle (Auszahlungsantrag)


VI. SaarLorLux – „Zukunftsbild 2020“
Eines des zentralen Themen des 7. Gipfels der SaarLorLux-Region im Juni 2003 unter Vorsitz des saarländischen Ministerpräsidenten, Peter Müller, war das "Zukunftsbild 2020".
Unter Vorsitz des früheren Präsidenten der Europäischen Kommission und luxemburgischen Premierministers, Jacques Santer, hat eine eigens einberufene Politische Kommission in einem breiten Konsultationsprozess das "Zukunftsbild 2020" für die interregionale Zusammenarbeit in der Großregion SaarLorLux erarbeitet.



C. Forderung der FDP von Stadt und Kreis Aachen

Die FDP des Kreises und der Stadt Aachen fordert die Schaffung eines Eurodistriktes Städteregion Maas-Rhein. Hierzu müssen die notwendigen Maßnahmen von der Landesregierung unternommen werden und Gespräche mit den angrenzenden Gebietskörperschaften in den Niederlanden und in Belgien – möglicherweise im Rahmen der Euregio – geführt werden.

Mit der StädteRegion Aachen ist ein erster Schritt zu einer zukunftsorientierten und nachhaltigen Weiterentwicklung der Region in Angriff genommen worden.

Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik wird derzeit regional neu gestaltet. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Region sich nicht nur zu 180° neu strukturieren soll, sondern dass die nationalen Grenzen keine Barriere mehr darstellen sollen und eine 360°- Entwicklung wünschenswert wäre. Sowohl der Kreis als auch die Stadt Aachen werben alleine je für sich und über die Industrie- und Handelskammer Aachen mit den Vorteilen der Euregio und schaffen so eine Region, die gleichwertig neben der Rheinschiene und den belgisch/niederländischen Ballungszentren steht.

Die Europäische Kommission beabsichtigt von EU-Seite in Zukunft ein neues Rechtsinstrument für europäische Kooperationsstrukturen auf regionaler Ebene zu schaffen.

All dies ist Grund genug, um auch auf Kreisebene diese Vorhaben zu begleiten und tatkräftig zu fördern, um letztlich für den Bürger Behinderungen auf allen Politikfeldern weiter abzubauen.

Die Kreispolitik sollte mutig sein, und dem Beispiel aus Baden-Württemberg folgen, wo der erste Eurodistrikt derzeit geschaffen wird (siehe hierzu: Antwort der Landesregierung von Baden-Württemberg auf die Große Anfrage Drucksache 13/3251 vom 9.6.2004- im Internet abrufbar unter: www.landtag-bw.de/WP13/Drucksachen/3000/13_3251_d.pdf ).

Die SaarLorLux Region hat darüber hinaus ebenfalls eine „Zukunftsvision 2020“ (im Internet abrufbar unter: Saarlorlux.saarland.de Stichwort: Zukunftsvision 2020) entwickelt. Diese basiert ausschließlich auf dem Gedanken der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und geht von höchster Regierungsebene aus.

Außerdem hat sich die Region PAMINA bereits gebildet. Der erste grenzüberschreitende örtliche Zweckverband, der auf der Grundlage des Karlsruher Übereinkommens geschaffen wurde.


D Defizite in Nordrhein-Westfalen

Auch die Region Aachen braucht eine Zukunftsvision 2020!

Wir dürfen nicht hinter anderen Regionen zurückfallen, die begünstigt durch andere Gesetzgebung (Karlsruher Abkommen) bereits grenzüberschreitende Zweckverbände bilden können und bei denen Zukunftsvisionen (SaarLorLux) auf höchster Ebene erstellt werden (nämlich dort wo die Gesetzgebung gemacht wird).

Das Karlsruher Übereinkommen gilt nicht für Nordrhein-Westfalen. Hier besteht also Handlungsbedarf, da grenzüberschreitende Zweckverbände somit nur über völkerrechtliche Verträge geschlossen werden können.

Während andere Grenzregionen bereits intensiv mit neuen politischen Mitteln zusammenarbeiten, ist dies in der Region Aachen derzeit nicht möglich. Jedes neue politische Handlungsinstrument eröffnet aber weitere Möglichkeiten der effizienten Zusammenarbeit, dies fehlt somit für unsere Region. Dabei soll kein neuer Verwaltungsapparat geschaffen werden. Vielmehr soll ein grenzüberschreitender Zweckverband entstehen, der gemeinsame Aufgaben besser und für den Bürger effizienter erledigen kann.
Schwerpunkte auch der Forderung der Aachener FDP ist seit Anbeginn der Mitarbeit im Satzungskonvent zur Gründung der StädteRegion Aachen im Jahr 2001 die Beteiligung der interessierten angrenzenden niederländischen und belgischen Kommunen und Gebietskörperschaften.
Durch die Entwicklung in den angrenzenden Gemeinden in Rheinland-Pfalz, die intensiv mit Ostbelgien zusammenarbeiten, könnte eine Chance für unsere Region verpasst werden, einen eigenständigen Eurodistrikt Maas-Rhein zu gründen, da sich die deutschsprachige Gemeinschaft an Kreise in Rheinland-Pfalz angliedern könnte.


E Aufgaben einer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit und Ziele

Oberstes Ziel muß es sein, neben den Metropolregionen am Rhein und im BENELUX-Ballungsraum eine eigenständige starke eigenständige Wirtschaftsregion Maas-Rhein zu schaffen, die als Wirtschaftsstandort attraktiv ist und eine Konkurrenz zu den Ballungszentren darstellen kann.

1.) Gemeinsame Wirtschaftsförderung für die Region
Die Region muß daher eine über die nationalen Grenzen hinweg gemeinsame aufeinander abgestimmte Wirtschaftsförderung erhalten. Außerdem muß innerhalb der Region eine stärkere grenzüberschreitende Vernetzung des Arbeits- und Ausbildungsmarktes stattfinden.

2.) Gemeinsame Katastrophenschutzpläne – (Erfüllung von einheitlichen EU-Vorschriften)
Gemäß § 21 FSHG (Gesetz über Feuerschutz und Hilfeleistung – NRW) hat der Kreis als Pflichtaufgabe Leitstellen zu schaffen, die so auszustatten sind, dass auch Großschadensereignisse bewältigt werden können.
1.) Liegen für sämtliche unter § 24 a FSHG fallende Firmen Notfallpläne vor?
2.) Kann eine Zusammenarbeit von deutschen, niederländischen und belgischen Stellen Kosten sparen und effizienter Arbeiten?
Hierbei ist anzumerken, dass die Regelungen im FSHG auf EU-Richtlinien zurückgehen und diese in den Niederlanden und in Belgien ebenso umzusetzen sind. Daher müssen diese Aufgaben auch dort erfüllt werden, eine gemeinsame Regelung könnte kostengünstig sein.

3.) Gemeinsame Tourismusförderung
Es ist für die gesamte Region wünschenswert ein gemeinsames Tourismuskonzept auszuarbeiten, davon profitieren sowohl die Städte Aachen, Maastricht und Lüttich als auch das Umland (Nationalpark Eifel, Haldenlandschaft, Süd-Limburg etc).

4.) Förderung des Sprachunterrichts
Die Förderung des Sprachunterrichts auch in den Berufsschulen des Schulzweckverbande ist wünschenswert, um es Jugendlichen zu ermöglichen überall in der Region eine Arbeitsstelle zu finden.
Auch ist zu prüfen, in welchen Fachbereichen die Berufsschulen der Städteregion mit den Berufsschulden der angrenzenden Niederlanden und Belgiens zusammen arbeiten können.

5.) Gemeinsame Distriktentwicklungsagentur
Die große Raumplanung sollte innerhalb der Region abgestimmt werden.

6.) ÖPNV
Die Förderung des grenzüberschreitenden öffentlichen Nahverkehrs, einschließlich der Schaffung gemeinsamer Verkehrsverbunde ist wünschenswert und führt so auch zu einer weiteren Vernetzung des interregionalen grenzüberschreitenden Schienenverkehrs.

F. Der Eurodistrikt – juristische und administrative Fragen

Forderung:

Bildung eines Zweckverbandes „Eurodistrikt Maas-Rhein“

Voraussetzung:

1. Schritt kumulativ:
(a) Wie für Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und das Saarland (im Karlsruher Übereinkommen) muß die Bundesregierung ein Übereinkommen auch für NRW mit den Niederlanden und mit Belgien schließen, das die Schaffung von grenzüberschreitenden örtlichen Zweckverbänden (GÖZ) ermöglicht.

(b) Daneben müssen Gespräche mit den angrenzenden Gemeinden geführt werden, eventuell innerhalb der EUREGIO, ob Sie - ähnlich wie in Süddeutschland, Frankreich, Luxemburg, Belgien und der Schweiz – grenzüberschreitende örtliche Zweckverbände bilden wollen (SaarLorLux; Pamina).

(c) Daneben sollten ebenfalls die einzelnen Vertreter der Gebietskörperschaften (Landkreise und Städte in Deutschland) gemeinsame Treffen mit den entsprechenden Mitgliedern der Gebietskörperschaften in Belgien und den Niederlanden organisieren, um gemeinsame Ziele zu erarbeiten. Hierzu war angedacht, einen Arbeitskreis im Kreistag Aachen einzurichten. Außerdem sollten die Verwaltungen einen interne Arbeitskreis einsetzen, um das Ziel umzusetzen zu können. INTERREG III-Mittel sollten hierfür abgefragt werden.

Zweiter Schritt:
Der Eurodistrikt muss über eigene, unabhängige rechtliche und politische Strukturen und über ein autonomes Budget verfügen. Nur so kann sichergestellt werden, dass seine Aktivitäten nicht von anderen, nationalen Instanzen diktiert werden. Und nur so kann der Eurodistrikt die ihm zugedachte „neue Qualität“ in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit erhalten. (Dies entspricht den Vorgaben des Karlsruher Abkommens).
Schaffung bzw. Weiterentwicklung einer grenzüberschreitend arbeitenden Verwaltung mit eigenen finanziellen Ressourcen; Einberufung einer Eurodistriktversammlung, die sich aus der Zweckverbandsversammlung der Städte-Region Aachen weiterbilden kann.

Dritter Schritt:
Die Eurodistriktversammlung erhält legislative Rechte und wird von den Bürgern direkt gewählt; die Wahlen finden am gleichen Tag statt wie die Europawahlen bzw. Kommunalwahlen

Oberstes Ziel bei jedem Verwaltungshandeln muß es sein:
Bürokratieabbau durch effiziente Kooperation statt Konfrontation und unter Beachtung marktwirtschaftlicher freiheitlicher Grundsätze ohne Diskriminierung (auch keine Inländerdiskriminierung)